Bei der 11. Forschungswerkstatt der Donauuniversität Krems (siehe diese Doku) hat mich Peter Baumgartner sinngemäß gefragt: „Improvisation in der Lehre? Was ist damit gemeint und wie könnte ich beginnen, mich damit zu beschäftigen?“.
Erste Antwort, lieber Peter: Du hast schon längst begonnen! Weil Du viele Herangehensweisen und Methoden einsetzt, die eng mit Haltungen und Methoden der Angewandten Improvisation verwoben sind, auch wenn Du sie vielleicht jetzt nicht so bezeichnest bzw. so interpretieren würdest.
Also auf der Literaturecke kann ich mal das Buch „Improvisation und Storytelling“ von Sandra Masemann als einen möglichen Einstieg empfehlen. Sie zeichnet gut einige Aspekte der Herkunft derr Methoden auf und wie diese sich in Unterrichtssettings integrieren lassen (ist „zwar“ hier eher der Schulbereich; sehr viel ist 1:1 für den tertiären Bildungsbereich umsetzbar).
Ich habe in diesem für Kommentare offenen Google-Dok einen Ausschnitt aus der Definition von Angewandter Improvisation kopiert, der ebenso hilfreich zum Verständnis sein kann (ist Teil eines Exposes einer Dissertation, an dem ich aktuell unter der Betreuung von Dr. Christian Spannagel arbeite).
Eine zweite Antwort ist: „Tu es noch bewusster!“
Also: Such Dir eine Lehrveranstaltung aus. Auswahlkriterien könnten z. B. sein:
- „Dort soll mehr Kommunikation (bzw. Dialog) in einer bestimmten Phase unterstützt werden“
und/oder „…mehr Kooperation“ - Es geht darum, einen Ablauf zu visualisieren und/oder zu konzipieren.
- …weiters soll der eigene Anteil in solchen Abläufen deutlich werden sowie verschiedene Handlungsoptionen
- Gefragt ist ein Fokus auf Beziehungen zwischen (auch historischen) Menschen, deren Geschichte und mögliche Varianten kommender Verläufe
- Gefragt ist ein Fokus auf Beziehungen zwischen Teilen einer Formel, eines Computerprogramms, einer Pflanze, eines Textes usw. bzw. was geschieht, wenn Teile andere „Plätze“ einnehmen
- Ein scheinbar bekannter Ort oder Vorgang soll aus einer neuen Perspektive / in einem anderen Zusammenhang betrachtet werden
- Sonst Unsichtbares, scheinbar Abstraktes soll wahrnehmbar werden
- In einer kurzen Zeit sollen möglichst viele kreative, ja unkonventionelle Ideen entstehen.
- Gefragt ist ein Fokus auf Ressourcen von Menschen.
- Im Vordergrund steht Qualitäts-, Fehler-, Beschwerdemanagement
- Für eine Präsentation gilt es in jeder Hinsicht ansprechende Elemente zu gestalten und deren möglichen Wirkungsweisen zu erforschen
- Du suchst nach einer neuen Methode für einen Einstieg in ein Thema, für einen Überblick zu komplexen Zusammenhängen
Diese Liste ist nicht fertig. Wächst und verändert sich ständig.
Und ich denke es geht dann im nächsten Schritt um einen wichtigen Zugang der sich aus meiner Sicht ebenso design based research prägt: Die gewählte Methode wird bewusst eingesetzt, mit einem konkreten Ziel verbunden (mit gleichzeitiger Achtsamkeit auf Erkenntnisse oder Ereignisse „am Weg“, auf die Serendipität), gründlich gemeinsam nachbesprochen (Debriefing) und immer wieder weiterentwickelt – ausgehend von Rückmeldungen, Reflexionen, Wahrnehmungen und dem „Geschenk des Augenblicks“ in dem sich scheinbar aus heiterem Himmel eine neue Variante ergibt. Weil zum Beispiel eine Anweisung anders als geplant interpretiert wird. Weil jemand von den Teilnehmenden eine Idee, eine Variante einbringt. Weil Du z. B. in einer Weiterbildung die selbe Methode unter einem anderen Namen in einem ganz anderen Kontext erlebst und so auf eine andere Einsatzmöglichkeit kommst.
Ich bin sehr gespannt und neugierig auf Berichte zu Deinen Improerlebnissen! Und natürlich auf jene vopn allen anderen, die sich von diesem Blogpost inspirieren lassen!