Am Anfang gleich zur Erinnerung, wenn hier jemand empört aufschnaubt: Improvisation ist nicht gleichzusetzen mit „wenn gar nichts mehr Anderes geht“, mit ständigen provisorischen Notfalllösungen, mit „da muss es eigentlich was Besseres geben, aber erstmals improvisiere ich.“ (siehe auch hier)
Ich schreibe diesen Blogbeitrag, weil ich aktuell am MOOC Management 2.0 teilnehme und weil ich nächste Woche zum Kongress des Applied Improvisation Network in Berlin fahren werde. Ein Hauptthema ist dort Improvisation und Leadership. Und auch weil ich gerade viel in einen Masterlehrgang Leadership an der KPH Wien als Lehrender / Teil des Leitungsteams einbringe.
Also nochmal: Management ist Improvisation. Zu dieser Aussage drei Begründungen:
Das Leben ist unplanbar. Natürlich bedeutet gutes Management eine gute, mit allen Beteiligten abgestimmte und kontinuierlich kommunizierte Terminabsprache. Diese hat im Idealfall auch Pufferzonen „eingebaut“, berücksichtigt Bedürfnisse nach Pausen, nach Ankommen-Können, nach Platz für Nachfragen…
Natürlich bedeutet Management gute Finanzplanung, die berücksichtigt, dass Preise steigen oder sinken können. Und ein institutionalisiertes bewusstes Achten auf Leitlinien, Prozesse, Abläufe, Qualität & (laufende) Qualifizierung.
Jede/r hat schon die Erfahrung gemacht: Dann ist plötzlich doch alles ganz anders, als vorhersehbar. Durch einen Stau auf der Straße, eine Zugverspätung, eine Erkrankung, ein nicht absehbarer Regierungswechsel und damit einhergehende Budgetkürzungen (manchmal reicht auch einE neueR MinisterIn, einE neuer MinsiterialrätIn…). Manchmal gehen Maschinen kaputt die gerade erst gewartet wurden, Oder KundInnen / KlientInnen die fix zusagten kommen doch nicht oder schicken – vielleicht noch schlimmer – eine Vertretung.
Leben ist Veränderung. Es gibt so wunderhübsche Begriffe wie Fehlermanagement oder corporate knowledge management oder „gelebte Kooperation“ / Networking oder – sehr beliebt – Innovation. Sie finden sich in Konzepten, werden bei Sitzungen ins Protokoll gehievt oder in die Rede bei der MitarbeiterInnenversammlung eingebaut. Und doch heißt es dann wieder „Nein“; wenn jemand eine Idee einbringt. Oder „das war schon immer so“ bzw. „immer machst Du alles schlecht“, wenn jemand auf ein Problem hinweist. Eine andere Reaktion ist in beiden Fällen oft: „Ja dann mach halt…“, ohne echtes Interesse daran, wie der/die denn das bewerkstelligen könnte.
Improvisation bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst Wertschätzung und Achtsamkeit für Ideen, für Erfolgsgeschichten oder Hinweise auf scheinbar kleine Details die vor wachsenden bzw. schon länger vorhandenen Probleme warnen.
Improvisation bedeutet Räume zu institutionalisieren, wo auch mit unkonventionellen Methoden aktiv nach Ideen gesucht, diese auf den Punkt gebracht werden. Wo offen über Schwierigkeiten und mögliche Lösungsansätze ausgetauscht wird. Wo Kooperation von „Ja genau“ ausgeht und die Ressourcen aller Beteiligten aktiv wahrgenommen, genutzt und gefördert werden.
Leben braucht / macht Sinn. Geld ist ein wichtiger Motivationsfaktor, gibt Sicherheit.
Und gleichzeitig gibt es Begegnungen, Abläufe, Erfahrungen… die herausfordernd, belastend sind.
Haltungen und Methoden der Angewandten Improvisation machen diese Situationen und Abläufe sichtbar und so veränderbar. Gemeinsam entwickelt werden können darauf aufbauend entlastende Handlungsoptionen sowie lösungsorientierte Vorgangsweisen. Mit vielen verschiedenen Varianten, auch solchen die auf den ersten Blick völlig undenkbar oder unmachbar schienen.
Hallo Herr Freisersleben,
mit der Argumentation zu Improvisation kann ich mich nicht identifizieren. Es werden zum eine zu viele Fragen aufgeworfen die bei näherer Betrachtung von ihren Argumentationen abweichen. Es drängen sich latent zwei Begriffe in den Vordergrund nämlich zum einen der Begriff Lebensplanung und zum anderen der Begriff Karriereplanung. Bei diesem Begriffspaar wird permanent von Improvisation gesprochen. Für mich drängt sich der Eindruck auf, dass hier der Begriff Improvisation mit vorhandenen oder zu erwerbenden Kompetenzen einer Person gleichgesetzt wird. Und ein kompletter Fehlschlus liegt meines Erachtens bei der Gleichsetzung mit Wertschätzung und Achtsamkeit vor. Es wäre interessant, wenn sie diesen Aspekt näher erläutern könnten.
Werner Povoden
Mein Name ist Christian F. Freisleben (von wäre auch hübsch 🙂
Also: Die Haltung und Methoden der Improvisation hängen unmittelbar mit Achtsamkeit und Wertschätzung zusammen. Und ebenso der bewussten Nutzung von Kompetenzen.
Warum? Es geht darum, achtsam dafür zu sein, was ich als Person, alles weiß, kann, worauf ich zurückgreifen kann. Und auch dafür, was andere im „System“ einbringen können, dies aktiv zu fördern. Improvisation ist eben mehr als „Reaktion auf Unvorhergesehenes“ – kann gute Planung beinhalten, den Einsatz aller verfügbaren Ideen, Ressourcen, Energien.
Improvisation kann also sein: Die Kombination von Vorhandenen zu etwas völlig Neuen, die Verflechtung vorhandener Ideen mit kreativen Neuschöpfungen auf dem Weg zu den so oft verlangten / ersehnten Innovationen, das Gemeinsame Lernen. Ja es ist ein sehr kooperativ angelegter Ansatz, wo auf unterschiedlichsten Bühnen des Alltags miteinander gearbeitet, gelacht, gespielt wird; mit großer Wertschätzung füreinander. Leider keine Selbsverständlichkeit… Improvisation beflügelt, ermöglicht – und ich sag’s gern noch mal – ermöglicht diesen Weg!