Das Zeitungstheater ist eine Technik aus dem von Augusto Boal entwickelten Theater der Unterdrückten. Mögliche Grundlagen sind Zeitungsartikel sowie deren Überschriften weiters auch alle anderen Textformen sowie Plakate, Flugblätter, Broschüren, interne Memos & Protokolle, Bücher, Reden usw. Ein wichtiges Ziel ist auch die Hintergründe von Meldungen zu erfassen, durch Assoziationen Meldungen zu verfremden, ihren wirklichen Aussagen nachzuspüren. Gleichzeitig geht es darum, Verbindungen zur eigenen Lebensrealität zu überprüfen sowie neue Perspektiven für schwierige Situationen in Berufs- oder Privatleben zu finden – ein Aspekt ist etwa die bewusste Wahrnehmung von Rahmenbedingungen sowie scheinbar immer gleich laufenden Prozessen.
Die Techniken des Zeitungstheaters (alle auch online umsetzbar sowie solo)
1. Einfaches Lesen: Text wird ohne Kommentar vorgelesen. Dabei wird dieser aus dem Zusammenhang der Zeitung herausgenommen, das Umfeld wird bewusst ausgeblendet.
2. Vervollständigendes bzw. untermaltes Lesen: Dem Text wird eine zusätzliche Aussage hinzugefügt, die vom Verfassenden / Herausgebenden in anderen Zusammenhängen ausgesprochen aber hier nicht enthalten ist. So können als Untermalung auch Werbebotschaften ergänzt werden.
3. Gekoppeltes Lesen: Vorlesen von Texten aus mehreren Artikeln, die sich widersprechen, dementieren, aufheben oder einander ergänzende Perspektiven liefern.
4. Rhythmisches Lesen: Durch rhythmisches Vortragen (oder Singen) eines Textes werden bestimmte Assoziationen geweckt. Beispiel: Rede einer Politikerin im Marsch-, Tango- oder Walzerrhythmus. Dazu können auch Elemente des Raumlaufs kommen.
5. Pantomimisches Lesen: Durch den Gegensatz zwischen Text und Präsentation soll die Aussage karikiert werden. Beispiel: Rede des Wirtschaftsministers über den Ernst der Lage. Vortragende Person sitzt dabei an reichlich gedeckten Tisch. Dazu können auch Assoziationsmethoden zum Einsatz kommen.
6. Improvisierendes Lesen: Als Variante zum pantomimischen Lesen wird die Meldung szenisch nachgezeichnet.
7. Historisches Lesen: Meldung wird mit anderen (ähnlichen) geschichtlichen Ereignissen in Beziehung gesetzt, auch durch Lesen von Ausschnitten aus Printmedien. Eine Variante ist dabei in die Zukunft zu blicken. Spannend ist weiters das gegenüber Stellen von Texten aus verschiedenen Quellen.
8. Verstärktes Lesen Printmaterialien werden mit Audios und Videos sowie z. B. Werbematerialien ergänzt, kontrastiert. Dies wird u. a. dazu geutzt um in Texten verwendete Beschreibungen noch plastischer zu machen, auch um Klischees sichtbar zu machen
9. Konkretisierendes Lesen: Ist mögliche Ergänzung des vervollständigenden / untermalenden Lesens: szenisch wird dargestellt, was wirklich berichtet wird bzw. gemeint ist.
9. Pointiertes Lesen: Text wird durch einen anderen denkbaren – aber nicht abgedruckten – Text kommentiert. Details werden hervorgehoben wie Bekleidung der Agierenden, oder von wo diese herstammt. Ideal auch mit Methoden der Verfremdung kombinierbar.
10. Kontext-Lesen: Im Vordergrund vieler Texte stehen pointiert hervorgehobene Einzelheiten – Hintergründe, Ursachen, Auswirkungen kommen oft zu kurz. Durch eine szenarische Darstellung nach dem Vorlesen der Meldung wird dies nachgeholt. Dabei geht es z. B. um die Rahmenbedingungen der Menschen, um die es im Text geht. Der dazu gelesene Text kann Kontraste aufzeigen, macht Handlungen aus neuen Perspektiven sichtbar und zeigt neue Handlungsoptionen auf.
Zusatz: „Neuigkeiten“: Zeitungen usw. auf Boden ausgestreut (ev. umgedreht, werden beim Ankommen aufgedeckt) – durch den Raum gehen und Überschriften (oder aus dem Gehen heraus lesbare Teile) in unterschiedlichen Emotionen lesen. Auch als Variante von Raumlauf. Variante: Jemand liest Überschrift in einer Emotion und gibt dadurch eine Vorgabe für die nächste gelesene Überschrift, oder es ergbit sich ein „Emotions-Dialog“ zwischen zwei – vier Überschriften (verkörpert durch je eine Person, die mit unterschiedlichen Emotionen experimentiert und dabei auch Wortteile auslassen kann). Eine weitere Stufe: aus Worten verschiedener Überschriften neue Geschichten entwickeln.
Online-Variante:
EInsatz von kollborativen Dok. / Tool, ev. Reihenfolge der Personen festlegen. Neuigkeiten: Textausschnitte vorher in einem Online-Dok aufbereiten
Forschung
Brainstorming; Alternativer Zugang zu Text- und Inhaltsanalyse; Analyse der Verständlichkeit von Texten
Quellen:
Boal, A. (1985). Theater der Unterdrückten. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Boland, G., & Cameron, D. (2005). Newspaper Theatre: Applying performancebased learning to journalism education. Presented at the Journalism Education Association Conference, Griffith University.
Domkowsky, R. (2011): Theaterspielen – und seine Wirkungen. Berlin. Dissertation an der Universität der Künste, abgerufen 17. 10. 20 https://opus4.kobv.de/opus4-udk/frontdoor/index/index/docId/25
Fritz, B. (2013): Auf den Spuren des revolutionären Theaters von Augusto Boal zur autopoietischen Theaterarbeit ins 21. Jahrhundert. Dissertation, Universität Wien.
Müller, C. A. (2015). Forschendes Theater. Chancen und Potential im Kontext von Spracherwerb, transkultureller Landeskunde und studentischer Performance. Berlin. Universitätsverlag der TU Berlin. Abgerufen 17. 10. 20 https://depositonce.tu-berlin.de/handle/11303/4615